Vorsicht beim „Posten“

Heute Nachmittag „warnte“ ein Autor des HNA-Angebots Kassel live vor einer Baustelle in der Unterneustadt, die sich direkt hinter einer Straßenkurve befindet. Immerhin selbstkritisch bemerkt der Autor, dass er

  1. Zu schnell um die Ecke gebogen sei,
  2. mehr mit seinem Smartphone als dem Straßenverkehr beschäftigt gewesen sei.

Doch trotzdem sollte „plf“ vorsichtig beim „Posten“ solcher Berichte sein, denn nach dem aktuellen Punktekatalog des Kraftfahrt-Bundesamts kann sein Fahrverhalten mit

  1. 1 Punkt und 100 € für nicht angepasste Geschwindigkeit
  2. sowie 1 Punkt und 60 € für das Benutzen des Telefons
  3. „belohnt“ werden. Dass es sich dabei um kein Kavaliersdelikt handelt, zeigt die drastische Zunahme der Verkehrsunfälle mit unbekannter Ursache.

Traue keiner Statistik

Vor wenigen Tagen berichtete die einzige gedruckte Tageszeitung der Region über Zivilcourage gegenüber Schlägern in der Straßenbahn. In einem mit „Hintergrund“ betitelten Absatz heißt es reißerisch, es gäbe mehr Übergriffe in Bus und Bahn. Worauf sich dieser „Hintergrund“ bezieht, bleibt allerdings im Dunkeln, denn unter der Furcht-einflößenden Überschrift wird die KVG-Sprecherin zitiert, dass es gar keine eigene Statistik über Gewalt im Kasseler ÖPNV gäbe. Und aus der ebenfalls zitierten Kriminalstatistik der Kasseler Polizei geht sogar ein Rückgang von Gewalttaten hervor. Warum sollen also aggressive Pöbler und Schläger statt auf der Straße ausgerechnet vermehrt in der Tram zuschlagen? Oder ist da auch die Zeitung dem Paradox erlegen, dass trotz zurückgehender Straftaten die rein subjektiv gefühlte Unsicherheit bei manchen Menschen zunimmt?

Maß halten – in der Parkgebühren-Debatte

Erst Tempo 30 auf Kasseler Hauptstraßen und jetzt auch noch (nach 18 Jahren) eine Erhöhung der Parkgebühren um durchschnittlich 66 Prozent! Die nordhessische Autofahrerseele scheint zu kochen, ein Kommentar der Lokalzeitung fordert Maß halten! Dieser letzten Forderung schließen wir uns an.

Denn die höheren Parkgebühren sind noch nicht beschlossen. Und zum besseren Vergleich müssen außerdem die durchschnittlich 66 Prozent auf die 18 Jahre umgerechnet werden, in denen die Tarife gleich geblieben sind. Der Einfachheit halber rechnen wir mit einer gleichmäßigen Preissteigerung über die Jahre. Dann gilt (auf Grund des „Zinses-Zins-Effekts“): Der Tarif seit 1996 multipliziert mit der jährlichen Teuerung über 18 Jahre muss gleich der 66-prozentigen Steigerung von 1996 auf 2014 entsprechen. In anderen (mathematischen Worten):

P1996 · x18 = P1996 · 1,66 = P2014

Durch Ziehen der 18. Wurzel, 18√1,66, erhalten wir also die durchschnittliche Gebührensteigerung pro Jahr zu 1,029, das sind also 2,9 Prozent pro Jahr. Im Vergleich zu den Preisen, die ÖPNV-Nutzer für ihre Fahrkarten zahlen müssen, sind die Parkplatznutzer also im Schnitt weniger stark belastet. Und die ÖPNV-Nutzer fahren trotzdem regelmäßig in die Kasseler Innenstadt zum Einkaufen.

Tempo 30 für Frankfurter Straße!

Die letzten Tage berichtete die gedruckte Regionalzeitung regelmäßig über ein neues Verkehrskonzept für die Stadt Kassel im Jahr 2030. Der medienwirksamste Diskussionspunkt ist dabei der Vorschlag des beauftragten Planungsbüros, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf einigen Hauptstraßen von 50 auf 30 km/h zu reduzieren. In der Berichterstattung wird aus diesem Vorschlag für das Jahr 2030 allerdings sehr schnell eine scheinbare aktuelle politische Forderung des (grünen) Stadtbaurats.

Bereits der erste Artikel zu dieser Serie der letzten Tage ist plakativ mit den Worten „Tempo 30 auf Holländischer Straße geplant“ überschrieben. Dass diese „Planung“ bislang nur ein Vorschlag des Planungsbüros Planersocietätist ist, den der Stadtbaurat Christof Nolda explizit zur Diskussion stellt, erfährt der Leser erst gegen Ende des Artikels. Von einer konkreten Planung konnte bereits also bereits am 2. Mai keine Rede sein. Heute, fünf Tage später, wird dies in einem weiteren Artikel und diesmal bereits recht weit am Textanfang auf den Punkt gebracht – nicht ohne zu erwähnen, dass die „Pläne (die immer noch keine, sondern immer noch Vorschläge sind) spalten“.

Dissenz besteht allerdings in der Tat darüber, wessen Pläne oder Vorschläge hier in der Stadtöffentlichkeit diskutiert werden. Während im Aufmacher des Artikels vom 5. Mai korrekter Weise auf das Planungsbüro hingewiesen wird, dreht sich zumindest die politische Diskussion um Noldas „Pläne“. Als Leser könnte man fast den Eindruck bekommen, hier solle der Bote (Nolda) für das Überbringen einer Nachricht (Vorstellung der Planungsvorschläge) gehenkt werden … öffentlichkeits- und damit medienwirksam wäre es alle Mal – wer will denn auch 15 Jahre warten und dann feststellen, dass der PKW kein Heiligtum mehr ist, sondern ab und zu noch notwendiges Übel? Vielleicht wäre ein Tempolimit zumindest für eine Hausnummer in der Frankfurter Straße sinnvoll …

Calden: Nein! – Doch! – Oooh!

Vor zwei Wochen berichtete die gedruckte regionale Tageszeitung über die Finanzen der Gemeinde Calden. Auf Grund von Abschreibungen und Zinslasten sei der Haushalt mit über einer Million Euro so belastet, dass die Gemeinde Infrastruktur wie das Freibad oder Gemeindehäuser verkaufen müsse. Heute berichtet die Zeitung dann davon, wie sehr der Flughafen Kassel-Calden die Gemeinde finanziell belastet. Da bleibt wohl nur Louis de Funès und Bernard Blier in Camouflage – Hasch mich, ich bin der Mörder zu zitieren: Nein! – Doch! – Oooh!

Calden will angeblich „an allem Sparen“

Mit diesem Aufmacher wird in der Tageszeitung aufgezählt, an welchen Stellen die Gemeinde Calden für das Jahr 2015 sparen wolle: Freibad, Gemeindehäuser, Sporteinrichtungen sowie die Ortsbeiräte sollen gestrichen oder anders organisiert werden. Begründet wird dies mit einem Minus von 1,2 Millionen Euro. Diese Summe erscheint für eine Gemeinde mit über 7000 Einwohnern [Quelle: Statistik-Hessen.de] allerdings erst einmal gar nicht so gravierend: Das wären etwa 2000 Euro pro Einwohner.

Bilanz des neuen Flughafens

Im Artikel vom Samstag tauchen auf einmal ganz andere Zahlen auf, die die Geldnot begründen: So schlug das Flughafen-Defizit für die Gemeinde Calden im Jahr 2013 mit 420 000 Euro zu Buche, die 1,2 Millionen Euro ist der gesamte in jenem Jahr aufgelaufene Verlust. Für 2014 wird sogar mit einer halben Million Euro gerechnet. Insgesamt sei die Gemeinde allerdings mit 23 Millionen Euro verschuldet, also dem rund 60-fachen des jährlichen „Flughafen-Anteils“. Woher dieser „Schuldenberg“ kommt, wird im Artikel nicht genannt, allerdings dürfte die Gemeinde Calden entsprechend ihres Anteils von 6 Prozent an der Flughafen GmbH Kassel auch an den Baukosten beteiligt gewesen sein. Und obwohl die Tageszeitung Ende 2012 vollmundig nicht endende gute Nachrichten für den Flughafen vermeldete, zitiert sie nun Caldens Bürgermeister so, dass der Flughafen bislang keine zusätzlichen Steuereinnahmen generiere.

Nur: Hätte man das nicht vor zwei Wochen schon in dem Artikel genau so drastisch auf den Punkt bringen können? Oder hätte sich die Schlagzeile „Calden muss kommunale Einrichtungen wegen Flughafen schließen“ nicht so gut verkauft?

P. S.: Wer sich noch wundern könnte

Neben der Gemeinde Calden sind auch die Stadt Kassel sowie der Landkreis mit jeweils 13 Prozent an der Flughafen GmbH beteiligt. Das Flughafen-Defizit belastet also auch direkt deren Haushalte, was soweit erst einmal keine Überraschung ist. Beide sind allerdings auch Träger des Nordhessischen Verkehrsverbunds (NVV) und finanzieren daher das nordhessische ÖPNV-Angebot mit. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2013 hat der NVV die „ExpressBus“-Linie 100 vom Bahnhof Wilhelmshöhe zum Flughafen Kassel-Calden eingeführt: Montag bis Freitag von früh bis spät im Stundentakt, am Wochenende alle zwei Stunden. Nun ist es kein großes Problem, die Nachfrage einer ÖPNV-Linie durch Beobachtung zu ermitteln. Zumindest im Verlauf innerhalb der Stadt Kassel sind die Gelenkbusse (typischerweise mit einer Kapazität von rund 130 Fahrgästen) meist leer unterwegs. Sofern also nicht an der Stadtgrenze oder in Vellmar reihenweise Fluggäste in den „Shuttle-Bus“ zusteigen, bezahlt der NVV hier den Transport von hauptsächlicher „heißer Luft“. Das Defizit dieser Buslinie könnte sich also zusätzlich in den kommunalen Haushalten widerspiegeln. Wobei dann trotzdem die Frage offen bleibt, wie hunderte Fluggäste 2013 zum und vom Flughafen gekommen sind.