Das in der HNA veröffentlichte Interview mit dem „Kannibalen von Rotenburg“ (Ortsteil Wüstefeld) Armin Meiwes sorgt in der Leserschaft für Furore. Von der Tat (März 2001) bis zum rechtskräftigen Urteil (Februar 2007) sind sechs Jahre vergangen. Sechs Jahre, in denen Meiwes überwiegend als „Kannibale von Rotenburg“ charakterisiert wurde und bei vielen Menschen in Schubladen landete, die mit Etiketten wie „pervers„, „abnormal“ und „abartig“ versehen sind. Das medial transportierte Bild vom Täter ist flach. Genauso flach ist auch die Reaktion einiger HNA-Leser auf Meiwes: „Lebenslang einschließen und Schlüsselweg wegschmeißen.“
Obwohl Meiwes eine lebenslängliche Haftstrafe absitzt, wird er eines Tages entlassen werden. Es ist also nur richtig, dass Nordhessens Leitmedium die Öffentlichkeit über diesen Umstand unterrichtet. Denn das Ziel des Justizvollzuges ist im besonderen Maße die Resozialisierung des Täters. Zu diesem Vollzugsziel trägt die HNA ihren Teil bei. Mit dem Interview wird dem Leser die Möglichkeit gegeben das bisherige Bild von Meiwes zu reflektieren und vielleicht sogar zu revidieren.
Im Interview wird ein Mann skizziert, der mindestens 15 Jahre seines Lebens durch Haft verliert. Ein Mann, der arbeitet (Wäscherei), sozial (Arbeitsgruppen) und politisch (Grüne) aktiv ist, im Kirchenchor singt, der auch Wünsche (Klavier lernen) und eine Lebensgefährtin hat. Kurzum das Bild eines ziemlich „normalen“ Menschen. Dieses neue Bild des „Kannibalen von Rotenburg“ mag zwar nicht jedem Leser in den Kram passen, aber das Interview geht völlig in Ordnung. HNA-Chefredakteur Horst Seidenfaden kann ich voll und ganz beipflichten, wenn er schreibt: „So aber ist es ein Beitrag, der sicher polarisiert, aber aus meiner Sicht wegen der handwerklichen Korrektheit mehr als seriös ist.“