Eine Prise Sensationsgier

In Witzenhausen brennt es. Typischer Stoff für eine 0815-Zeitungsmeldung, wie sie täglich in der HNA zu lesen ist. Als Zaubertrank fehlt nur noch die Prise Sensationsgier für die Überschrift:

Sensationsgierige Überschrift

Sensationsgierige Überschrift

Warum diese Sensationsgier? Der Aufwand für die 11 Bilder umfassende Fotogalerie über einen trivialen Brand sollte sich schon lohnen.

Über einen Wohnungsbrand zu berichten, ist berechtigt, da hier ein öffentliches Informationsinteresse besteht. Details über das Brandopfer preiszugeben sind unberechtigt. Ob die Wohnung unordentlich war oder eher aufgeräumt, gehört ganz klar nicht in die Berichterstattung. Dies fällt ausschließlich in die private Lebensführung.

Sofern die private Lebensführung nichts mit dem Brand zu tun hat, darf diese nicht Inhalt der Berichterstattung sein. Dies gebietet Ziffer 8 (Schutz der Privatsphäre) des Deutschen Pressekodexes.

Symbolbild

Symbolbild

Ein Leser kommentierte unter dem Artikel die Berichterstattung:

„Zu dem materiellen Schaden durch den Brand kommt jetzt neben dem Schrecken und den finanziellen Folgen auch noch ein weiterer immaterieller Schaden hinzu, weil dem Betroffenen übel nachgeredet wird – oder woher weiß man, dass es sich um einen „Messie“ handelt? Aus dem Artikel geht außer der Überschrift kein Satz darauf ein. Und selbst wenn – was hat das mit dem Brand zu tun?

Fazit: Sein Kommentar wurde nicht freigeschaltet. Die Überschrift nicht geändert. Seine Beschwerde über das Nichtreagieren wurde … ignoriert. Dieses Vorgehen der Redaktion ist lokalzeitungskritik.de nicht unbekannt. Wir haben bei der Redaktion nachgefragt.

Gefunden hier:
HNA.de vom 29. Mai 2014: Feuer-Alarm in Dohrenbach: Brand brach in Wohnung aus

In der gedruckten Witzenhäuser Allgemeinen vom 30. Mai 2014 achtet die Redaktion die Privatsphäre des Brandopfers. Offline seriös, online sensationsgierig.

Nachtrag (23:00 Uhr): Die Redaktion hat die Überschrift geändert.

Sexistische Sprachunfälle und Wortprobleme

Mit sexistischen Sprachbildern werden meistens Frauen gegenüber Männern degradiert. Die HNA macht es heute in einem verunglückten Versuch, die DPA-Überschrift „Sie heißt Mia, er Ben“ zu verlängern, genau andersrum und benutzt eine Formulierung, die eigentlich für Hunde reserviert sein sollte:

HNA-Schlagzeile: "Sie heißt Mia, er hört auf Ben"

Vielleicht handelt es sich bei der Überschrift um eine Ausgleich für die Einleitung eines Artikels über die einzige Schornsteinfegerin im Werra-Meißner-Kreis. Wie begegnet man dem Vorurteil des inkompententen Blondchens in so einem Text? Natürlich … mit der Beschreibung ihrer Modelmaße im ersten Absatz:

Schon rein optisch dürfte die 21-Jährige bei manchem Zeitgenossen Glücksgefühle wecken: 1,72 Meter groß, 59 Kilogramm leicht, lange blonde Haare und ein hübsches Gesicht. Modelmaße unter einem rußschwarzen Overall.

„Mysteriöses Fischsterben“

Mülmisch

Hintergrund-Kasten zum Artikel über das „mysteriöse Fischsterben“.

Im Flüsschen Mülmisch gibt es laut HNA ein „Mysteriöses Fischsterben“. Dies klingt nach einem weiteren geheimnisumwoben Fall für die MythBusters. Statt der MythBusters haben sich aber die Polizei, die Untere Wasserbehörde beim Regierungspräsidium und ein Speziallabor dem „Mysterium“ angenommen. So mysteriös, wie die HNA postuliert, kann das Fischsterben also gar nicht sein. Denn ein Mysterium ist ein unergründliches Geheimnis bzw. ein verwunderliches Ereignis, welches mit logischem Denken nicht erklärbar ist. Wissenschaftler werden aber vermutlich für eine schlüssige, kausale Erklärung sorgen.

Die Ursache ist lediglich (noch) ungeklärt. Dies ist kein mysteriöses Mysterium, die Klärung des Sachverhaltes ist vermutlich nur eine Frage der Zeit. Es gibt also gar keinen Grund die Berichterstattung zu mystifizieren. Bis die Erklärung der Wissenschaftler vorliegt, könnte sich die HNA-Redaktion Gedanken über den Umgang mit Quellen machen. Links in der Tabelle der Hintergrund-Kasten zum Artikel, rechts Auszüge aus dem Wikipedia-Artikel zur Mülmisch.

Die Mülmisch ist ein 13,8 Kilometer langer, rechtsseitiger beziehungsweise
nordöstlicher Zufluss der Fulda im Werra-Meißner- Kreis, Landkreis Kassel und Schwalm-Eder-Kreis.
Die Mülmisch ist ein 13,8 km langer[2], orografisch rechtsseitiger bzw. nordöstlicher Zufluss der Fulda im Werra-Meißner-Kreis, Landkreis Kassel und Schwalm-Eder-Kreis, Hessen (Deutschland).
Die Mülmisch entspringt im Westen des
Werra-Meißner-Kreises im Nordwestteil des Melsunger Berglands, rund 1,25 km südöstlich von Quentel, einem westlichen Stadtteil von Hessisch Lichtenau.
Die Mülmisch entspringt im Westen des Werra-Meißner-Kreises im Nordwestteil des Melsunger Bergland rund 1,25 km südöstlich des Dorfs Quentel, einem westlichen Stadtteil von Hessisch Lichtenau.
Sie fließt etwa durch Eiterhagen, den
südlichsten Ortsteil von Söhrewald, wo der Wattenbach als längster Mülmisch-Zufluss einmündet.
Nach dem Durchfließen des Dorfs verläuft sie entlang der Landesstraße 3228 durch den Südostteil des Landkreises Kassel und dort durch das Dorf Eiterhagen, dem südlichsten Ortsteil von Söhrewald, wo der Wattenbach als längster Mülmisch-Zufluss einmündet.
Sie mündet nordwestlich
von Röhrenfurth, einem
Stadtteil von Melsungen,
und südöstlich von Körle
in die Fulda. (bho)

Gefunden hier:
HNA (KS-Mitte) vom 12. August 2013, Seite 3: Fischsterben in der Mülmisch

HNA – die Rächerin der Region

Wird in der deutschen Medienlandschaft negativ über die nordhessische Region berichtet, ist ein Gegenschlag der HNA nicht weit. Als hätte es die einheimische Bevölkerung nötig, so ihr kollektives Selbstbewusstsein aufzurichten.

Beispiel 1: Findet der Flughafen Kassel-Calden bei der RTL-Sendung „Wer wird Millionär“ Erwähnung, wird Günther Jauch in einem HNA-Artikel für seine Kommentare als Lästerer abgewatscht. Jauchs „Lästerei“ im O-Ton: „Der wurde nicht abgeschafft, sondern eröffnet – obwohl ihn keine Sau braucht!“. In diesem Sinne haben FAZ, Welt und Sueddeutsche wohl auch nicht journalistisch gearbeitet, sondern sich eines Sakrilegs schuldig gemacht.

Beispiel 2: Der Spiegel berichtet – in durchaus fragwürdiger Art und Weise – über konsumkritische Studenten. Und erzürnt das Gemüt der HNA durch die negative Darstellung der Stadt Witzenhausen. Statt kritisch auf die Berichterstattung einzugehen, holt die HNA mit einer Glosse zum Autoren-Bashing aus. Der Autor wird als aroganter Großstädter karikiert, der alles Provinzallisches hasst:

Ein Mann steigt aus: Hornbrille, grauer Mantel, roter Schal, wirres Haar. „Ich bin Boris Breyer – Spiegel-Redakteur“, ruft er den Wartenden am Bahnsteig zu. Niemand reagiert. „Aus Berlin“, fügt er hinzu. Stille. Er wirft den roten Schal über die Schulter und verschwindet Richtung Innenstadt. […] Er bleibt mit der Schuhspitze im historischen Kopfsteinpflaster hängen, stolpert, fällt hin: […] Dem Mann fließt Blut aus einer klaffenden Stirnwunde. Als Passanten ihm aufhelfen wollen, ruft er: „Scheiß Provinz, scheiß Auftrag.“

Eine HNA-Reaktion auf den Spiegel-Artikel hätte durchaus Potenzial gehabt.

  1. Bei HNA-Online steht, der Spiegel behaupte: „Nordhessen ist arm und strukturschwach.“ Der Spiegel skiziiert aber nicht Nordhessen sondern die Witzenhäusener Gegend als strukturschwach. Hier gäbe es die Möglichkeit das „(Zerr)Bild des ehemaligen Zonenrandgebietes“ zu hinterfragen. Wie der Spiegel schreibt liegt die Arbeitslosequote „mit 6,3 Prozent über hessischem Durchschnitt“. Das klingt überdurchschnittlich schlecht, die hessische Arbeitslosenquote ist mit 6,1 Prozent aber gar nicht so weit entfernt. Der Bundesdurchschnitt mit aktuell 7,1 Prozent hingegen schon, Witzenhausen ist also überdurchschnittlich gut.
  2. Vielleicht mag der Zug des Spiegel-Redakteurs etwas zu spät angekommen sein, aber der Witzenhäuser Bahnhof wurde erst 2008 umfassend modernisiert. Der Bahnhof ist barrierefrei im Gegensatz zu anderen deutschen Städten.
  3. Ist eine 15500-Einwohner-Stadt strukturschwach, wenn eine große deutsche Universität mit über 20 000 Studierenden hier eine Nebenstelle unterhält?
  4. Seit 20 Jahren schließt der städtische Haushalt von Witzenhausen wohl erstmals mit einem Überschuss. Bei notorisch klammen Kommunen land- auf landab, ist die Stadt Witzenhausen wohl auch nicht besonders strukturschwach.

Selbst die Glosse ist schlecht recherchiert. Warum sollte Breyer behaupten er käme aus Berlin? Der Spiegel sitzt in Hamburg, dort wurde Breyer 1978 geboren. Aktuell wohnt er in Hamburg und ist laut Facebook aus München (dort ist er aufgewachsen und hat auch dort studiert).

Gefunden hier:
HNA-Online vom 26. Mai 2013: Glosse: Irrungen in der Provinz – ein Spiegelredakteur in Witzenhausen

Die Känguru-Chronik

Das Sommerloch ist schon zu Ende. Nach dem „tragischen Ende“ (HNA) des entlaufenen Bennett-Wallabys endet jetzt auch die schier unendlich anmutende Känguru-Chronik der HNA:

  1. 17. September 2012, „Nachruf“ in der gedruckten HNA
  2. 15. September 2012, HNA.deEntlaufenes Känguru bei Verkehrsunfall getötet
  3. 14. September 2012, HNA.deSo weit die Füße tragen: Ein Känguru ist noch unterwegs
  4. 14. September 2012, HNA.de, Eingefangenes Känguru aus Röhrenfurth ist gesund
  5. 14. September 2012, HNA-Melsungen, Titelseite: Känguru weiter auf Tour
  6. 13. September 2012, HNA.deZwei Kängurus halten Dörfer in Atem – Ein Beuteltier ist noch flüchtig
  7. 13. September 2012, HNA.de: Das Känguru ist noch unterwegs
  8. 12. September 2012, HNA.de: Ein Känguru aus Melsunger Tierpark heimgekehrt
  9. 24. August 2012, HNA.de: Ausgebüxtes Känguru Pepe ist wieder da (mit Video)
  10. 23. August 2012, HNA.de: Tierpark Sababurg: Suche nach Känguru läuft noch
  11. 23. August 2012, HNA.de: Ausgebüxtes Känguru: „Ich dachte, ich sei angetrunken“ (die Überschrift erweckt den Eindruck, die HNA hätte das Känguru interviewt)
  12. 19. Juni 2012, HNA.de: Schon wieder: Polizei in Niedersachsen auf Kängurujagd
  13. 01. Juni 2012, HNA.de: Korbach: Das Känguru ist wieder eingefangen
  14. 31. Mai 2012, HNA.de: Ausgebüxtes Känguru hüpft durch Korbach
  15. 30. Mai 2012, HNA.deEntlaufenes Känguru ist wieder im Serengeti-Park
  16. 20. Mai 2012, HNA.de: Spuren von Kängurus im Wald entdeckt
  17. 19. Mai 2012, HNA.de: Zwei Kängurus aus Tierpark ausgebüxt
  18. 12. Mai 2012, HNA.de: Weißes Känguru sorgt für Aufsehen in Löhlbach

Und alles folgt getreu dem zweiten Hauptsatz des Lokaljournalismus: Kinder und Tiere (insbesondere Kängurus) gehen immer. Die Auflistung ist übrigens nur der Känguru-Chronik erster Teil. Die Auflistung umfasst nur die Känguru-Geschichten aus dem HNA-Auflagengebiet. Aber auch die Erlebnisse von Kängurus aus anderen Teilen der Republik fanden Eingang in die Zeitung.