Lobet den „Chefredaktör“

Passen die Worte „EXTRA TIP“, „Meinungsvielfalt“, „informativ und kritisch“ zusammen? Naja:

Ernst gemeint oder Satire?

Ernst gemeint oder Satire?

Gefunden hier, dank einem Hinweisgeber:
lokalo24.de vom 17.06.2015: Briefwechsel an die Kasseler: Dreck, wohin das Auge schaut

Zoll-Razzia bei „HNA-naher“ Zustellfirma

Nach Leserprotesten hat heute auch die HNA über einen Großeinsatz des Zolls bei einer Kasseler Zustellfirma berichtet. Die Durchsuchungen fanden bereits am 15. April statt, berichtet nh24.de. Sowohl online, als auch gedruckt wurde der HNA-Artikel mit klarem Lokalbezug im Wirtschaftsteil „versteckt“. Bei der HNA ist das Thema Chefsache, der Chefredakteur persönlich schrieb die kurze Meldung, die zwei Wochen auf sich warten ließ.

Von der Relevanz her hätte der Artikel auch Aufmacher sein können: Verdacht des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen in einer Vielzahl von Fällen durch Umetikettieren von beitragspflichtiger Beschäftigung zu beitragsfreier kurzfristiger Beschäftigung. 600 Beamte bundesweit im Einsatz, 90 durchsuchte Objekte, 2 Millionen Euro beschlagnahmt, schreiben andere Medien. Genaue Details zu den womöglich illegalen Beschäftigungsverhältnissen hat nh24.de bei Zoll und Staatsanwaltschaft erfragt und klärt die Hintergründe für die Ermittlungen auf.

Warum hüllen sich die Kasseler Ippen-Medien HNA und ExtraTIP zu diesem Großeinsatz in Schweigen? Spiegel-Online schreibt:

Die Behörden gehen davon aus, dass die Unternehmen, die zum Einflussbereich des Münchner Verlegers Dirk Ippen gehören, sich mit einem illegalen Trick um Sozialversicherungsabgaben in Millionenhöhe gedrückt haben. Im Zentrum steht dabei nach Angaben eines Ermittlers neben einem Offenbacher Unternehmen die Firma Top Direkt Marktservice GmbH in Kassel, die von dem Ippen-Neffen Daniel Schöningh geleitet wird und unter anderem auf die Verteilung kostenloser Werbezeitschriften spezialisiert ist.

By I, the copyright holder of this work, hereby publish it under the following license: [GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Das Gebäude Frankfurter Straße 168 Foto: CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Die „Kasseler Firma Top Direkt“ soll also ippennah sein und ist damit entfernt mit der HNA und dem ExtraTIP verbunden. „HNA-nah“ ist auch der Firmensitz.

Auf Nachfrage bestätigte uns die Kasseler Staatsanwaltschaft, dass auch der Geschäftssitz in Kassel (des von der Staatsanwaltschaft namentlich nicht genannten Unternehmens) durchsucht worden sei. Eine kurze Internetrecherche ergibt, dass die Zustellfirma im gleichen (nicht ganz kleinen) Gebäudekomplex wie die HNA in der Frankfurter Straße sitzt. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, warum zuerst keine Berichterstattung erfolgte:

  • Zoll, Staatsanwaltschaft und Rentenversicherung können sehr diskret auf dem Gelände des Druck- und Pressezentrums durchsuchen und konzentriert arbeitende HNA-Redakteure haben in ihren Großraumbüros nichts mitbekommen.
  • Oder die Berichterstattung war unerwünscht …

Egal, was zutrifft, beides lässt kein gutes Haar an der HNA erahnen. Unabhängig davon, wie die Ermittlungen ausgehen werden. Gegenüber dem Mediendienst Kress bestätigte die Firma die Ermittlungen und erklärte, sie kooperiere mit der Staatsanwaltschaft, um die Vorwürfe zügig zu klären.

Nachtrag (6. Mai): Die durchsuchte Firma stellt u.a. den ExtraTIP zu. Zwischen beiden Geschäftsleitungen gibt es eine personelle Klammer.

Gefunden hier:
Hess. Allgemeine vom 29. April 2015, Seite 21: Großeinsatz des Zolls bei Kasseler Firma

noKAGIDA (5): ExtraTIP keine Lügenpresse

Lügepresse ist das Unwort des Jahres 2014. Doch ein Medium gehört auf keinen Fall zur Lügenpresse: der ExtraTIP. ExtraTIP-Chefredakteur Rainer Hahne gibt sich alle Mühe PEGIDA-Vordenker zu sein und vermittelt in seinen „Briefwechseln“ sein krudes Weltbild.

Gerne philosophiert er über die „Lösung für Islamproblem?„. Was dieses „Islamproblem“ ist? Keine Ahnung, dies schreibt Hahne auch nicht. Das Geschwafel interessiert eigentlich auch nicht, solange er keine „Endlösung des Islamproblems“ vorschlägt. Apropos „Endlösung“, anlässlich des Holocaust-Gedenkens hat Hahne die Singularität des NS-Völkermordes bestritten und vergleicht Konzentrationslager und ISIS:

Alltag im KZ – Arbeitsweise von Menschen aus unserem Land. ISIS lässt grüßen!!! (Quelle)

Hahnes Blatt verharmlost gerne: Zweiter Weltkrieg? Geile Zeit! „Unsere Jugend ist zu weich!“ lautet eine Überschrift, dann folgen positiven Einordnungen eines ehemaligen NS-Soldaten, getreu der Parole „Wer nicht gehorchen kann, kann auch nicht befehlen!“: „Die heutigen Kadetten sind nicht hart genug!“ & „Das war eine harte Schule, aber ich glaube, wir Jugendlichen von damals waren unserer Zeit einfach voraus!“

Zurück zur Jetztzeit. Hahne schreibt kampfblattartig „Bürger gehen auf die Straße und demonstrieren gegen die Islamisierung Europas.“ „Islamisierung Europas“? Für Hahne ist dieser rechtspopulistische Begriff selbsterklärend und ein Fakt, eine journalistische Distanz zum Thema („angebliche Islamisierung“) ist ihm fremd. Belege für die angebliche Islamisierung führt er nicht an.

Die Rhetorik-Schule des Rechtspopulismus hat er aber mit summa cum laude abgeschlossen: Flüchtlinge, Salafisten, kriminelle AusländerSinti und Roma, Osteuropäer, WirtschaftsflüchtlingeBurka? Alle in einen Topf werfen, umrühren und fertig ist das braune Süppchen à la ExtraTIP.

Gerne fordert Hahne „Meinungsfreiheit für Jeden!“. Achso natürlich nur für die PEGIDA-Anhänger, nicht für den Intimfeind des ExtraTIPs, die bösen roten Gewerkschaften (Igitt, die haben den Mindestlohn erfunden und der gilt auch für Zeitungszusteller). Denn der DGB habe „in seinen Lagern Plakate und Fahnen für jeden Zweck hat – und natürlich seine Berufsdemonstranten“. Dem möchte ich hinzufügen: Hahne vergisst die DGB-1.-Mai-Berufsdemonstranten, die DGB-Berufssteinewerfe, die DGB-Berufsgutmenschen, die DGB-Berufsgewerkschafter und die DGB-Juristen, die gerne den ExtraTIP verklagen.

Last but not least erklärt uns Rainer Hahne den Unterschied zwischen „Lügenpresse auf halt die Fresse“ und Terrorismus:

Fassungslos stimmt mich auch die Sichtweise von FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler, der den Vorwurf „Lügenpresse” der Pegida-Anhänger und das Massaker in Ihrer Redaktion [gemeint ist das Pariser Satireblatt Charlie Hebdo] in einem Atemzug nennt. Beides seien Angriffe auf die Pressefreiheit. Herr Kohler sollte eigentlich den Unterschied zwischen Bürgern, die sich von einigen Journalisten nicht mehr richtig informiert fühlen und zum Teil auch erkennen, wo die Unwahrheit geschrieben oder gesagt wird und kaltblütig mordenden Terroristen erkennen. […] Der Jounalist [sic!], der Pressefreiheit für sich in Anspruch nimmt, sollte wissen, dass er eine große Verantwortung trägt. Es ist unsere Aufgabe, genau hinzuschauen und zu berichten.

Herr Hahne richtig hinschauen können Sie nur, wenn Sie die braune Brille abnehmen!

„Sie dürfen nichts gegen Großkunden schreiben“

Abgründe aus der Welt der kostenlosen Anzeigenblättchen offenbart ein Streit vor dem Arbeitsgericht Kassel. In Nordhessen erscheinen mittwochs und sonntags diverse Lokalausgaben der Anzeigenblättchen von 5 Verlagen der ExtraTIP-Mediengruppe, zusammen wird ein Online-Portal betrieben.

Wie die Gewerkschaft ver.di berichtet, sei der Redaktionsleiter aus Homberg/Efze* fristlos gekündigt worden, weil er über eine 1.-Mai-Demo berichtete. Stein des Anstoßes soll ein Foto gewesen sein, auf dem der Mindestlohn auch für Zeitungszusteller gefordert wurde. Bei verdi.de ist zu lesen:

Der Verlag beschäftige selbst Zeitungszusteller. Auf der verlagseigenen Homepage für deren Mindestlohn zu werben, hielte man für »grob illoyal«. Der Kläger solle mal nicht so tun, als arbeite er bei der FAZ: »Sie dürfen nicht schreiben, was Sie wollen, Sie dürfen nichts gegen Edeka und andere Großkunden schreiben«, so der Ippen-Anwalt.

Weiter heißt es an anderer Stelle:

Das Anzeigenblatt aus dem MB-Media Verlag gehört zur Extra Tip Mediengruppe mit Geschäftsführer Daniel Schöningh, Neffe des Zeitungsverlegers Dirk Ippen. Das Ippen-Imperium [die HNA gehört dazu, Anmerkung lk] mit seiner verschachtelten Unternehmensstruktur zählt zu den zehn größten Zeitungskonzernen in Deutschland und zeichnet sich dadurch aus, dass bei Tageszeitungen und Druckereien keine Tarifverträge anerkannt werden.

Gerne berichtet die Ippen-Presse über arbeitsrechtliche Streitigkeiten in Nordhessen. Nur der vorliegende Fall taucht aus unerfindlichen Gründen nicht in der Berichterstattung auf. „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Frei ist, wer reich ist. Das Verhängnis besteht darin, daß die Besitzer der Zeitungen den Redakteuren immer weniger Freiheit lassen, daß sie ihnen immer mehr ihren Willen aufzwingen.“ schrieb Paul Sethe 1965.

Wir bemühen uns um eine Grafik zur nordhessischen Medienlandschaft, um die Unternehmensstruktur offenzulegen und hoffen diese demnächst hier veröffentlichen zu können.

Gefunden hier, dank Hinweisgeberin:
verdi.de vom 12. August: Pressefreiheit in Witzenhausen ein Witz
verdi.de (ohne Datum): Was bei Verleger Ippen als »grob illoyal« gilt
* Zuerst stand hier fälschlicherweise Witzenhausen, wo der Verlag (MB Media) seinen Sitz hat.