Wie gestern die dpa berichtete, plant der Deutsche Presserat Regeln für Online-Leserkommentare. Der Presserat, bestehend aus zwei Verleger- und zwei Journalistenorganisationen, hat den Pressekodex mit publizistischen Grundsätzen ausgearbeitet, eine Art Ehrenkodex für Medienvertreter, der seit 1973 gilt. Beim vermeintlichen Verstoß gegen diesen Pressekodex kann jeder beim Presserat Beschwerde einlegen. Zwei Beschwerdeausschüsse können daraufhin Hinweise, Missbilligungen und Rügen gegenüber Medien aussprechen.
Jetzt weißt der Presserat darauf hin, dass Online-Kommentare Leserbriefen gleichzustellen sind. Unter dieser Prämisse möchte der Presserat sein bestehendes Regelwerk ändern. Dies könnte für das HNA-Leserforum eine deutliche Zäsur bedeuten. Bisher werden die Leserkommentare unter den Artikeln mäßig reguliert. Als Beispiel für die mangelnde Moderation von Leserkommentaren habe ich folgenden Kommentar (stellvertretend für vermutlich mehrere hundert) ausgewählt:
Ich bin normal nicht dafür – aber bei so einem Laffen: direkt/sofort/sogleich an die Wand, erschießen, der Nächste bitte. (Quelle)
Stünde dieser Satz in einem Leserbrief, hätte er es vermutlich nicht in die gedruckte Zeitung geschafft. Online darf der Aufruf zur Tötung eines Menschen aber getätigt werden, obwohl dies gegen die HNA-Netiquette verstößt. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich zweimal der HNA diesen Kommentar als anstößig gemeldet, zweimal ist nichts passiert.
Es wird also Zeit, dass die Medienwelt endlich gewisse Mindeststandards für die Moderation von Kommentaren einhält. Geschieht dies nicht, droht den Medien ein Imageverlust. HNA.de ist für mich nicht zur eine „Seite mit journalistischen Inhalten“, sondern eine „Seite mit journalistischen Inhalten unter denen dumme und dümmste Leserkommentare sich die Klinke in die Hand geben“.
Muensteraner sprach sich schon 2013 für eine vernünftigere Kommentarkultur aus.
Hintergrund: Wie moderiert HNA.de Online-Kommentare von Lesern?
Chefredakteur Horst Seidenfaden schreibt dazu:
Wir bekommen am Tag zwischen 800 und 1000, manchmal sogar mehr, Kommentare zu Online-Artikeln. Ein Kollege der Online-Redaktion schaut sich das an, alles, was in einer demokratischen Meinungs-Bandbreite liegt, wird auch veröffentlicht. Die Kommentarfunktion sperren wir zunehmend bei Ereignissen wie Unfällen – bei so tragischen Vorfällen gibt es einfach nichts Vernünftiges zu kommentieren.
Nachtrag (19.02 14.50 Uhr): Der obige Leserkommentar wurde inzwischen entfernt. Jens Nähler, Leiter der HNA-Onlineredaktion hat dazu Stellung genommen.
Die Kommentare bei der HNA bestehen zu 90 % aus Beleidigungen und Unterstellungen. Da geht es nicht um eine Disskussion, sondern meist nur um Frustbewältigung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kommentare wirklich geprüft werden, denn dann würden schon jetzt kaum Kommentare veröffentlicht.
Ich schreibe hier viel, aber daß 90 % miner Kommentare Beleidugungen sind, bestreite ich entschieden!
Kritiklos geht nicht alles!
Kommentare sollen doch keine Lubhudelei sein!
Hallo aus der Redaktion,
wir sind sehr gespannt, wie sich das Thema entwickeln wird. Im Gegensatz zu vielen anderen Zeitungen prüfen wir in der Tat bereits die Kommentare – und es sind täglich einige dabei, die es daher gar nicht erst online schaffen. Trotzdem rutschen auch immer wieder Kommentare durch – wie auch die von Ihnen angeführten. Das ist bedauerlich, und daran müssen wir arbeiten.
Leider ist mir nicht bekannt, dass Sie uns den angeführten Kommentar gemeldet haben: In der Regel reagieren wir auf entsprechende Mails nämlich schnell. Gern können Sie mich künftig in Kopie setzen, sollte Ihnen wieder etwas auffallen.
Fürs erste habe ich den angeführten Kommentar entfernt. In der Tat gehört dieser nicht in das Online-Angebot. Wir werden innerhalb des Teams das Thema noch einmal besprechen und noch genauer beobachten.
Grüße,
Jens Nähler (Leiter HNA.de)
Guten Tag Herr Nähler,
tatsächlich hatte ich keine Mail geschrieben. Ich hatte lediglich rechts neben dem Kommentar auf „Als unpassend markieren“ geklickt und war davon ausgegangen, dass der Kommentar der Moderation noch einmal vorgelegt wird.
Wie ich jetzt gelernt habe, gibt es demnächst dann eine Mail. Inzwischen rege ich mich über die Leserkommentare aber auch nicht mehr auf, dafür ist das Leben einfach zu kurz.
Die HNA orientiert sich offensichtlich und bewusst immer mehr am großen VorBILD. Was zählt sind Menschen, Tiere , Sensationen. Und natürlich, und das in erster Linie, Anzeigenkunden und Netzwerke. Als Monopolist eine tolle Sache! Für kritische und denkende Menschen ein tägliches Ärgernis, sofern man sie tatsächlich noch liest bzw die Meldungen ernst nimmt. Da Ippen bzw Seidenfaden bewusst diese Strategie des Flachschippenjournalismus fahren, wird dieser Kurs bei der HNA auch beibehalten. Aber am Horizont zeichent sich schon ein Eisberg ab…