„Zensur“ schreit es, seitdem die HNA die Onlinekommentare der Leser stärker reguliert. In einigen Leserkommentaren wird auf die Meinungsfreiheit (Artikel 5 GG) verwiesen:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Meinungsfreiheit im Sinne des GG meint die Freiheit Meinung ohne Angst vor Repression zu äußern und zu verbreiten. Was das GG nicht meint:
- Erstens leitet sich kein mittelbarer Rechtsanspruch gegenüber der Verlag Dierichs GmbH & Co. KG ab. Diese ist nicht zum Abdruck von Leserbriefen oder zum Freischalten von Leserkommentaren gezwungen. „Jeder hat das Recht, seine Meinung […] frei zu verbreiten“ steht im GG, nicht: „Jeder hat das Recht auf freie Verbreitung seiner Meinung durch andere.“
- Zweitens hat Keiner ein Recht darauf, dass seine frei geäußerte Meinung erhört wird. Weder die HNA-Redaktion noch andere Leser müssen ihren Schmarrn lesen.
- Drittens bedeutet Zensur staatliche Vor/Nachzensur. Das Nicht-Freischalten ist also keine Zensur, sondern das gute Recht der Redaktion, siehe erstens und zweitens.
Auch andere Medien und Journalisten kämpfen mit diesem Missverständnis. So heißt es in einem lesenswerten FR-Online-Artikel:
Das Missverständnis über die Meinungsfreiheit
Der Schrei über Zensur ist vollkommen deplatziert, denn Zensur kann nur dort greifen, wo es um das Grundrecht der Meinungsfreiheit geht. Und an diesem Punkt verwechseln viele User die Kommentarspalten im Internet mit dem Tresen ihrer Stammkneipe.
Gefunden hier:
fr-online.de vom 28. Juli 2014: Im Land der „gleichgeschalteten Medien“
Natürlich hat die HNA das Recht, die Kommentarfunktion ggfs. ganz abzuschaffen. Man sollte aber auch an die Monopolstellung im nordhessischen Raum denken. Es gibt keine alternative Tageszeitung, auch nicht online. Wenn man zu lokalpoitischen Themen als Bürger/ Leser sich äußern möchte, bot sich bisher nur diese Seite an. Dadurch entsteht auch eine Verantwortung gegenüber der Leserschaft.
Moderation ist seit Langem überfällig, denn bisher geschah diese recht willkürlich und man hatte den Eindruck, dass die übrigen Kommentare bei einer Löschung überhaupt nicht angesehen wurden. Auch aktuell sehe ich da nichts, was da außer der weiterhin weitreichenden Sperrung auch aktueller Artikel an Fortschritt erkennbar wäre. Als Monopolist ist man deutlich im Vorteil, Meinungen zu lenken und Stmmungen zu schaffen. Um dem zu begegnen, ware die Kommentare auch ein Korrektiv für manche Beiträge und verfasste Kommentare der HNA-Redaktion.
Aktuell wird ein Rentner als Held gefeiert, der eigenmächtig ein Verkehrsschild versetzte.
http://www.hna.de/lokales/kreis-kassel/mann-versetzte-stoerende-verkehrszeichen-elgershausen-3739990.html
Ob man als Zeitung diese Form der Selbstjustiz unterstützen sollte? Und dann zusätzlich mit einem ergänzenden Kommentar noch bestärken? Dieser ergänzende Kommentar wurde dann auch wieder nicht zur Kommentierung durch die Leser freigegeben. Die große Marktmacht der HNA sollte auch ein hohes Verantwortungsgefühl nach sich ziehen, das ich hier ebenfalls wieder vermisse.
Sollten die Behörden nach der Veröffentlichung wegen Sachbeschädigung gegen den Rentner vorgehen, hat die HNA ein paar weitere Artikel sicher, der Rentner aber den Ärger und die Folgekosten zu tragen. Oder will die profitierende Redaktion dann die Kosten übernehmen? Wie geht man mit ähnlichen Fällen von Selbstjustiz um? Sollten Bürger aufgefordert werden, das Recht in die eigene Hand zu nehmen, wenn die Behörden schlafen? Sollten wir z.B. die Verkehrsregelung am Rathaus, die seit Monaten durch Staus auf der Kreuzung fast den ganzen Tag über zu gefährlichen Situationen führt, nun auch selbt in die Hand nehmen? Was kann sich aus solch einer Einzelaktion durch die Publikation entwickeln?
Gerade da sind Leserkommentare ein Korrektiv, denn man liest eben nicht nur die vorgegebene Meinung sondern auch die Meinung derer, die an das Rechtssystem erinnern und die möglichen Folgen bedenken.