Journalismus bedeutet heutzutage Unterhaltung und ist nicht an feste Wertemaßstäbe gebunden. Dies beweist der regelmäßige Blick in die HNA. Betrachten wir die Berichterstattung zum Parken von Autos auf Gehwegen. Diese Ordnungswidrigkeit wird mit 15 Euro Verwarngeld geahndet, bei Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer sogar mit 25 Euro.
Vor über einem Jahr parkte in Wilhelmshöhe eine Porsche mit auswärtigem Kennzeichen auf einem Gehweg. Große Aufregung – Die HNA schrieb (über eine banale Ordnungswidrigkeit!) einen langen Artikel. Die Überschrift: „Große Verärgerung: Porsche parkte auf Gehweg„. Markenname und Herkunftsnachweis waren hier zwei Faktoren, die die boulevardeske Berichterstattung beförderten (in der Art: „auswärtige, arogante Bonze benimmt sich asozial“). Die HNA-Redaktion landete einen Erfolg: 79 Leserkommentare.
Ganz anders die Position der Redaktion in diesen beiden vergleichbaren Fällen. Auch hier geht es um das Parken auf Gehwegen. Aber: statt des böswilligen Fahrers eines Bonzen-Autos geht es hier um hilfsbedürftige Rentner (mit HNA-Abo?).
- Im ersten Fall klauen bösartige Krankenhausbesucher in der Pettenkoferstraße den Anwohnern die Parkplätze. Ein über 70-jähriges Rentner-Ehepaar „muss“ deswegen öfters mit dem Auto teilweise auf dem Gehweg parken. „Der sei breit genug, sodass auch genügend Platz für Fußgänger bleibe.“ Ja klar, Rollstuhlfahrer und Co. müssen da sicherlich nicht durchpassen. Über das Knöllchen darf sich der Falschparker dann ganz uneinsichtig mit dem Generalargument „Reine Abzocke“ ereifern. 41 Leserkommentare
- Bleiben wir bei den Senioren und springen zum Seniorenheim am Unterneustädter Kirchplatz. Dort parken einige Menschen wohl auch auf dem Gehweg. Auch hier gibt die HNA den uneinsichtigen Falschparkern die Möglichkeit sich in der Öffentlichkeit zu äußern: „„Nirgendwo vor dem Eingang steht ein Halteverbotsschild“, wettert er.“ Ja klar, es handelt sich um einen Gehweg. Es wäre ja schrecklich wenn jeder Gehweg als Halteverbotszone gekennzeichnet werden müsste, der Schilderwald ist so schon groß genug. Auch hier wird das Generalargument publiziert: „Was für Niessen reine Abzocke ist, […].“ 48 Leserkommentare
Je nachdem, was die bessere Schlagzeile verspricht, adelt oder tadelt die HNA Falschparker. Moralisch ist die Redaktion im Umgang mit Ordnungswidrigkeiten ganz flexibel.
Ich bin der Meinung, die Straßenverkehrsordnung gilt nicht nur für Porschefahrer, sondern auch für Rentner (mit HNA-Abo?) und alle anderen.
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Die drei HNA.de Artikel sind im Beitrag jeweils verlinkt.