Auch die meisten Erwachsenen wissen nicht, wie eine Gemeinde funktioniert. Kein Wunder, denn Aufbau und Zusammenspiel der verschiedenen Gemeindeorgane sind kompliziert. Nur Fachleute blicken da wirklich durch.
Richtig, die meisten Erwachsenen wissen nicht, wie eine Gemeinde funktioniert. Schade nur, dass der HNA-Redakteur, der mit seinem Artikel Kommunalpolitik erklären soll, auch nicht vom Fach ist.
Diese Gewaltenteilung gibt es im Prinzip auch in jeder Gemeinde.
Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive & Judikative) gibt es oder es gibt sie nicht. Nichts mit „im Prinzip“. So gibt es keine kommunalen Gerichte: Amtsgerichte, Sozialgerichte, Arbeitsgerichte, Verwaltungsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte sind Gerichte des Landes und keine kommunalen Einrichtungen. Sie kennen zwar ein Bundesverfassungsgericht und diverse Landesverfassungsgerichte, aber keine Kommunalverfassungsgerichte.
Was mich zum nächsten Punkt führt: Kommunen haben keine Verfassung und können ihre Verfasstheit auch nicht selber bestimmen (abgesehen von der Hauptsatzung). Bundestag und Bundesrat können zwar durch Grundgesetzänderung beschließen, das die Amtsbezeichnung des Bundeskanzlers künftig „König von Deutschland“ heißt. Die Gemeindevertretung von Söhrewald kann ihren Bürgermeister aber nicht durch Satzungsänderung zum „König von Söhrewald“ erklären und auch nicht seine Dienstbezüge erhöhen. Das Land Hessen legt für alle hessischen Gemeinden die Kommunalverfassung in der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) fest.
Das Grundgesetz garantiert ihnen ein hohes Maß
an Eigenständigkeit.
Falsch. Das Grundgesetz Art. 28 Abs. 2 garantiert eine Selbstverwaltung „im Rahmen der Gesetze“, aber kein „hohes Maß an Eigenständigkeit“. Die Kommunen unterstehen der Kommunalaufsicht des Landes. Sind also vergleichbar mit minderjährigen Kindern und ihren Eltern.
Die Gemeindevertretung (Legislative)
Ebenso falsch. Die gesetzgebende Gewalt, Legislative genannt, gibt Gesetze. Die Gemeindevertretung (in Städten: Stadtverordnetenversammlung genannt) ist kein legislatives Parlament! Richtig gelesen: Eine Gemeindevertretung hat nicht die Qualität eines Parlaments. „Diese Vertretung ist ein bloße Verwaltungsorgan“ (Staatsbürgertaschenbuch 2012: Kap. 114 – Seite 279). Die Gemeindevertretung kann keine Gesetze erlassen (sondern nur Satzungen) und ist damit nicht gesetzgebende Gewalt. Parlamentarier genießen zudem Immunität und Indemnität. Gemeindevertreter aber nicht, sie sind keine Parlamentarier. Der Begriff „Gemeindeparlament“ ist irreführend.
Fazit: Kommunen sind keine staatliche Ebene wie Länder oder der Bund. Sie verwalten sich selber, unterstehen aber der Aufsicht durch das Land (gleicher Rechtsstatus wie eine Universität), es gibt keine kommunale Judikative und keine kommunale Legislative.
„Nur Fachleute blicken da wirklich durch.“ Der Journalist und der erläuternde Bürgermeister sind wohl nicht vom Fach.
Gefunden hier:
Hess. Allgemeine (Kassel-Süd) vom 20. Januar 2015, Seite 12: „Bist Du der König von Söhrewald?“